Kulles Corona-Ansprache

PD Dr. Kulle

Sehr geehrte Damen, Herren und Diverse Politiker in Deutschland,

Ich bin als gelehrter Bär nicht von geringem Verstand, wohl aber von geringem Verständnis für menschliches Verhalten.

Die Demokratie, so sagt man, ist die Politik mehr oder minder direkt gewählter Vertreter für das Volk, und da der große Lümmel, wie Heinrich Heine ihn nennt, nur alle paar Jahre zu den Urnen gerufen wird, zwischendurch aber regiert werden muss, ist es dringend erforderlich, sich ihm gegenüber ins rechte Licht zu setzen, damit er

  • a) sich nicht gegen Gesetze empört und
  • b) von den Gesetzen so überzeugt ist, dass er die bisherigen Gesetzgeber bei der Wahl gleich wieder legitimiert.

Folglich gibt sich die Exekutive, die sich die Legislative untertan zu machen versucht, obwohl das nicht dem Sinn der Konstruktion der Gewaltenteilung entspricht, aber das nur am Rande, gibt sich also die Exekutive den Anschein, stets richtige Entscheidungen zu fällen, die auf objektiv richtigen Informationen beruhen. Trotz einer immer energischer in Entscheidungsprozesse eingreifenden Lobbyismusindustrie gelingt das unter „normalen“ Gegebenheiten halbwegs. Von Fiskal- und Föderalismuspolitik versteht der Normalmensch meist wenig, von internationalen Beziehungen ganz zu schweigen. Der Normalmensch äußert seine  Unmut in der Regel nur dann, wenn der Unterricht an den Schulen seiner Kinder nicht ordentlich erteilt wird oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft Windräder installiert werden sollen – für Umweltschutz ist er aber schon.

Seit einem Jahr jedoch kann von „normalen“ Gegebenheiten keine Rede mehr sein.  „Die Welt ist aus den Fugen“ hat Kanzlerin Merkel schon 2016 gesagt, und da wusste sie noch gar nichts von Corona. Ein vorschnelles Zitat, gibt sich die Bundesregierung doch inzwischen den Anschein, alles unter Kontrolle zu haben.

Der Reihe nach.

Die Welt sieht sich seit mehr als zwölf Monaten mit dem Virus SARS-COV2 konfrontiert, von dem einiges klar ist:

  • Es wird von Mensch zu Mensch übertragen, hauptsächlich durch Aerosole.
  • Es gibt schwere und leichte Krankheitsverläufe, es kann tödlich sein. Besonders gefährdet sind alte Menschen.
  • Es befällt hauptsächlich die Lunge, aber auch andere Organe.
  • Es haben sich Mutationen entwickelt, die ansteckender sind als das ursprüngliche Virus.
  • In erstaunlich kurzer Zeit sind Impfstoffe gegen das Virus entwickelt worden.

Viel mehr ist aber nicht klar:

  • Woher stammt das Virus? Diese Frage ist allerdings eher akademischer Natur, weil sie bei der Pandemiebekämpfung nicht hilft.
  • Welche Maßnahmen sind geeignet, die Verbreitung des Virus einzudämmen? Hilft ein Lockdown? Und wenn ja, in welchen Bereichen?  
  • Welche Langzeitfolgen verursacht es?
  • Wie wirken die Impfstoffe langfristig? Gibt es Nebenwirkungen, die vielleicht noch nicht absehbar sind? In welchen Intervallen werden Nachimpfungen notwendig sein?
  • Gibt es bereits ein Medikament, das Heilung oder die Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe verspricht? Wird daran gearbeitet?

Das sind die medizinischen Fragen, und diese Fragen sind vordringlich. Die Politik bleibt Antworten darauf schuldig, auch die Medizin schweigt bisher.

Stattdessen arbeitet man sich an Fragen ab, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand beantworten kann, und behauptet dennoch, die Antworten zu kennen:

„Ich verspreche, dass bis zum Ende des Sommers allen Menschen in Deutschland, die sich impfen lassen wollen, ein Impfangebot gemacht worden ist.“

Kanzlerin Angela Merkel

„Der Lockdown wird verlängert werden müssen.“

Karl Lauterbach

„Mitte Februar werden wir viel mehr Impfstoff haben.“

„Wir werden nach dem Winter zu einem normalen Leben zurückkehren.“

Alle

„Wir haben noch acht bis zehn harte Wochen vor uns.“

Minister Spahn

„Wir werden die Vulnerablen schützen.“

Alle

Sie mögen aus meinen Ausführungen herausgehört haben, dass ich Ihre Art, das Land zu regieren, prinzipiell nicht für das non plus ultra halte. In der gegenwärtigen Situation ist Ihr Verhalten letal. Letal für manchen Alten, den Corona erwischt hat und den Ihre Bürokratie und Ihr Gesundheitswesen nicht haben schützen können, letal aber auch für Sie. Sie alle, ob Sie nun im Bundeskanzleramt, in einer Landesregierung, in einem Landratsamt oder in einem ländlichen Bürgermeisterbüro sitzen.

HÖREN SIE AUF, SO ZU TUN, ALS HÄTTEN SIE EINE LÖSUNG!

Sie haben keine!

SAGEN SIE, DASS SIE NOCH KEINE HABEN!

Nur so machen Sie sich glaubwürdig.

Jetzt wollen Sie vermutlich wissen, warum ich Ihnen diese Ratschläge gebe, obwohl ich doch mit Ihnen und Ihrem Tun nicht einverstanden bin.

Wir Bären sind schon immer Opportunisten und vetraut mit dem kleineren Übel: Wenn es keine großen Lachse gibt, fressen wir eben kleinere. Wir Bären, die wir hier in Dehland leben, ziehen die Demokratie der großen völkischen Lüge vor. Haben Sie die neueste Umfrage in Bezug auf die französische „Sonntagsfrage“ zur Kenntnis genommen? Wenn am nächsten Sonntag Präsidentenwahl wäre, bekäme Marine LePen 48% der Stimmen und Macron 52%. Welch ein Graus!

So dumm, wie Sie glauben, ist der „große Lümmel“ gar nicht. Sagen Sie ihm die Wahrheit. Sagen Sie ihm, dass Sie (noch) keine Lösung haben. 

Januar 2021